Predictive Analytics: Risikomanagement mit dem Potenzial, alle Bereiche unseres Lebens zu revolutionieren

9/30/2020

Lesezeit: 5 min

Predictive Analytics, im deutschen Sprachraum manchmal auch als prädiktive Analytik bezeichnet, ist ist ein Teilbereich von Business Analytics und verwendet historische Daten, um mögliche Zukunftsszenarien zu berechnen. Ermöglicht wird das durch die Erhebung und Verarbeitung großer Datenmengen. Je größer und vielfältiger die Datengrundlage, desto genauer die Vorhersage. Voraussetzung dafür sind jedoch enorme Rechenkapazitäten.

Verarbeitung großer Informationsmengen

Bevor ein menschlicher Analyst die Daten zu sehen bekommt, werden sie in der Regel mit Hilfe von AI oder Machine Learning verarbeitet, um Muster, Trends und Marker zu identifizieren, die bestimmte Ereignisse oder Verläufe wahrscheinlich machen. Die (im Idealfall verwertbaren) Ergebnisse und Erkenntnisse dieser Vorbearbeitung werden dann in einem Format aufbereitet, das für die weitere Analyse durch einen Menschen angelegt ist.

Predictive Analytics in der Praxis: Einsatz in der vorbeugenden Wartung

Produktionsunternehmen können solche vorausschauenden Analysen zum Beispiel einsetzen, um das Auftreten von Maschinenfehlern zu antizipieren und zu verhindern. Maschinenzustandsdaten werden durch eine Vielzahl von Wärme-, Vibrations-, Akustik- und anderen Sensoren und Detektoren usw. laufend ermittelt und als beständiger Echtzeit-Datenstrom an die Analyse-Tools übermittelt. Diese können den Datenfluss auf minimalste Änderungen des normalen Betriebs analysieren.

So kann sich beispielsweise die von einem schnell rotierenden Teil abgegebene Frequenz geändert haben. Diese wird dann mit früheren Daten und/oder Branchen-Benchmarks für diese Maschine oder Baugruppe verglichen, um zu ermitteln, was die Änderung bedeuten könnte. Sind solche Frequenzänderungen z.B. typischerweise beobachtet und dokumentiert worden, bevor es zur irreparablen Korrosion des rotierenden Teils x kam und können Techniker dieses frühe Anzeichen richtig deuten, können sie Rückschlüsse darüber ziehen, was passieren wird, wenn das Teil belassen wird wie es ist. Ebenso können sie abschätzen, wie viel Zeit bleibt, es zu ersetzen, bevor es zu einem ernsthaften Problem wird.

Predictive Analytics im Gesundheitswesen

Einer der spannendsten Predictive Analytics-Anwendungsfälle – und einer, der jeden von uns betrifft – ist die Gesundheitsvorsorge. In der Medizin sind Formen der datengestützten vorausschauenden Risikomodellierung nichts Neues. Spätestens seit der Erkenntnis, dass bestimmte Krankheiten gehäuft in einer Familie vorkommen wird versucht, dieses Wissen zur Vermeidung schwerer Erkrankungen zu nutzen. Heutzutage ist es nichts Ungewöhnliches, bereits Föten auf genetische Marker für Brustkrebs und andere vererbbare Erkrankungen zu screenen. Die darauf basierenden Prognosen neigen jedoch dazu, vereinfachende "wenn... dann"-Aussagen nach dem Muster “wenn der genetische Marker in Ihrem Genom vorhanden ist, dann haben Sie ein x%iges Risiko, diese Krankheit zu bekommen” zu treffen. Die Möglichkeiten von Predictive Analytics werden solche Prognosen enorm präzisieren und differenzieren können und haben so das Potenzial, Gesundheitsvorsorge nachhaltig zu verändern.

Medizin wird vorausschauender – und individueller

Durch das Sammeln aller verfügbaren Gesundheitsdaten über eine Person – genetische Daten, Laborergebnisse, Antworten auf Fragebögen, Datenströme von Wearables wie Smartphone oder -watch, die Lifestyle-Informationen und Echtzeit-Vitaldaten liefern – kann das individuelle Risiko dieser Person, eine bestimmte Krankheit zu entwickeln, bewertet und mit dem Rest der Bevölkerung verglichen werden. Dabei kommt dasselbe Prinzip zum Tragen wie bei der vorbeugenden Wartung von Industrieanlagen.

Das ermöglicht Ärzten den Übergang von der reaktiven, episodischen Medizin – bei der eine Behandlung nur dann erfolgt, wenn Symptome auftreten – zu einem stärker präventiv ausgerichteten und proaktiven Modell, bei dem Medikamente und Empfehlungen zur Lebensführung gegeben werden, bevor sich der Gesundheitszustand verschlechtert.

Auch die präventive Wartung selbst findet nicht nur in der Produktion, sondern auch in der Medizin Anwendungsfelder. Geräte im Gesundheitswesen – etwa Laborausrüstung – am Laufen zu halten wird noch wichtiger werden als bisher, da die Daten, die sie produzieren, immer relevanter für die Ermittlung der richtigen Behandlung und Medikamentierung werden.

Fazit: Die Auswirkungen von Predictive Analytics

Die prädiktive Analytik steht noch relativ weit am Anfang ihrer Entwicklung und Möglichkeiten. In Zukunft wird sie sich jedoch überall dort auswirken, wo das Internet of Things (IoT) verstärkt genutzt wird. Die Digitalisierung und Quantifizierung physischer Objekte durch das IoT wird zu einer regelrechten Datenexplosion führen, die die prädiktive Analytik speisen und Industrie, Politik und Gesundheitswesen von reaktiven Methoden weg und hin zu proaktiven Ansätzen führen wird.

In einem weniger revolutionären Maßstab findet das bereits statt, und viele neue Dienstleistungsmodelle entstehen so. Beruhte das Geschäftsmodell von Herstellungsunternehmen bisher auf dem Verkauf von Maschinen, beschleunigen die Möglichkeiten von Predictive Analytics das Modell "Produkt als Dienstleistung". Zunehmend vertreiben Fertigungsunternehmen ergebnisorientierte Dienstleistungsverträge anstatt “nur” des Geräts. Der Kunde bezahlt also zum Beispiel für die fortgesetzte Fähigkeit, Röntgenbilder aufzunehmen, nicht nur für das Röntgengerät selbst. Das ist nur rentabel, weil Hersteller durch Fernüberwachung, vorausschauende Fehlerbehebung und Zustandsvorhersagen die Betriebseffizienz einer Maschine maximieren, Ausfallzeiten minimieren und ihre produktive Lebensdauer verlängern können. Der Endnutzer muss sich nur um die Nutzung des Gerätes kümmern und hat keine weiteren Sorgen.

Dieses Modell verbessert das Kundenerlebnis, weil Probleme oftmals vom Hersteller adressiert werden können, bevor der Anwender sie überhaupt wahrnimmt. Gleichzeitig erhöht es die Umsatzmöglichkeiten für Fertigungsunternehmen. Ein US-amerikanischer Industrieproduzent schätzt, dass für jeden Dollar aus dem Maschinenverkauf zwölf Dollar Service-Einnahmen erzielt werden können. Nach Angaben der IDC planen 40% der 100 führenden unabhängigen Hersteller weltweit, Product-as-a-Service-Plattformen anzubieten.

Ähnliche Auswirkungen werden auch in anderen Sektoren zu spüren sein. Predictive Analytics verändert bereits das Bank- und Finanzwesen, die Stadtplanung, den Energiesektor und den Einzelhandel.

Wie bei jeder neuen Technologie braucht die Skalierung von anfänglichen, einfachen Anwendungsfällen bis hin zu ausgereiften und immer komplexeren Anwendungen natürlich eine gewisse Zeit. Das betrifft sowohl die Hersteller- als auch die Kundenseite.

Tags: Vernetzte Geräte Industrielle Konnektivität Industrial Internet of Things Predictive Analytics

Der Autor

Prema Srinivasan, Digital Content Marketing Manager Als Digital Content Marketing Manager bringe ich die neuesten Technologie-Stories ins Rampenlicht. Ich bin leidenschaftlich daran interessiert, Leser zu begeistern und Entscheidungsträger mit relevanten, aktuellen Inhalten zu versorgen.