Herausforderungen Der Wettbewerb ist hart. Normen und Vorgaben verändern sich. Nidec muss schneller überlegene Produkte auf den Markt bringen, um seine Position als Marktführer zu sichern. Selbst entwickelte Systeme und Prozesse waren voneinander abgekoppelt, die Produktentwicklungsdauer war lang (40 bis 48 Monate). Tausende von kundenspezifischen Produktkonfigurationen, mehrere Fertigungsstandorte und verschiedene Zielmärkte mit unterschiedlichen Vorschriften machen den Produktentwicklungsprozess sehr komplex.


Die Nidec Corporation mit Sitz in Japan gehört zu den größten Motorenherstellern der Welt. Das Unternehmen ist mit elf Fertigungswerken, über fünfzig Forschungs- und Entwicklungslabors, drei Vertriebsniederlassungen und einem weltweiten Business Support Center in acht Ländern präsent. 2019 übernahm der Konzern die brasilianische Firma Embraco und richtete einen neuen Geschäftsbereich für Kühllösungen ein. Die Marke Embraco ist bekannt als Pionier in der Entwicklung drehzahlgeregelter Kompressoren sowie der Nutzung natürlicher Kältemittel – entscheidend für die Senkung des Energieverbrauchs.

Die innovativen Lösungen von Embraco erhöhen die Lebensqualität und tragen wesentlich zum Umweltschutz bei. Der drehzahlgeregelte Kompressor zum Beispiel überzeugt durch einen um durchschnittlich 35 % geringeren Energieverbrauch, sodass er selbst den strengsten Energieeffizienzvorschriften weltweit gerecht wird.

Mit Unterstützung der Unternehmensleitung gingen IT und technische Entwicklung von Nidec gemeinsam daran, mit weniger mehr zu erreichen: mehr Projekte, kürzere Time-to-Market, Kostensenkungen und Qualitätsverbesserungen.

Globaler Druck

Produkte im Wandel. Der Klima- und Energierahmen der EU gibt für 2020 bis 2030 ein Energiesparziel von 40 % gegenüber dem Niveau von 1990 vor und hat damit großen Einfluss auf Unternehmen wie Nidec Global Appliance. Haushalts- und gewerbliche Geräte wie Geschirrspülmaschinen und Kühlsysteme werden nach den neuen Standards neu bewertet. Viele derzeitige Produkt-Designs werden diesen Standards nicht gerecht. Ein Gerät, das heute zur Energieeffizienzklasse AAA gehört, wird laut den neuen Standards als F eingestuft.

Härterer globaler Wettbewerb. Chinesische und japanische Wettbewerber sind innovationsstark und holen rasant auf. Zudem wirkt sich die Energieeffizienz direkt auf den Preis aus. Zwar genießt Nidec Global Appliance einen Ruf als Marktpionier, aber im Moment gibt es weltweit Überkapazitäten. Nidec muss seine Produktentwicklung beschleunigen oder läuft Gefahr, bei seinen Geräten eine erhebliche Preiserosion zu erleben.

Unterbrochene Lieferketten. Mit wachsendem Innovationstempo muss Nidec neue und bestehende Zuliefererteile rasch zertifizieren oder riskiert teure Verzögerungen bei der Time-to-Market.

Über die Untersuchung

Bei dieser Fallstudie wurden folgende Key Performance Indicators (KPIs) untersucht. Nidec Global Appliance erzielte durch Implementierung einer PLM-Strategie (Produktlebenszyklus-Management) folgende Ergebnisse:

  • Anzahl von Großprojekten: Erhöht um 284 %
  • Time-to-Market: Verkürzt um 48 %
  • Ressourcenbedarf: Verringert um 22 %
  • Qualität: Kosten infolge von Qualitätsmängeln um 40 % gesenkt

Herausforderungen

Nidec Global Appliance nutzte zwar bereits seit 2015 Windchill von PTC zur Verwaltung seiner CAD-Daten. Andere Produktinformationen jedoch blieben weiterhin in Silostrukturen voneinander isoliert. Aufgrund der unverbundenen Systeme und Prozesse kam es bei den Produkten unweigerlich zu Verzögerungen, geringer Erstausbeute, Produktionslinienausfällen im Unternehmen und bei Kunden, Nacharbeit und Ausfällen im Einsatz. Nidec Global Appliance wusste, dass nur durch die Zusammenführung und Rationalisierung der Produktentwicklung eine kürzere Time-to-Market realisierbar war und die Chance bestand, Kosten infolge von Qualitätsmängeln zu senken.

Vor der unternehmensweiten PLM-Initiative ging Nidec Global Appliance bei der Nachverfolgbarkeit und Governance von Teilen sowie von Produktunterlagen, Zertifizierungen und Prozessen rein projektbezogen und ohne Verknüpfungen vor. An den Standorten von Nidec Global Appliance in Brasilien, Mexiko, China und Europa hatte jede Region ihre eigene separate Dokumentationsdatenbank und die Prozesse blieben in Silostrukturen voneinander getrennt. Mit Tausenden von Produktvarianten, 17.000 verschiedenen Stücklisten und keinem globalen Zugriff kam es bei Nidec häufig zu doppelter Arbeit und es fehlte an einer durchgängigen Qualitätssicherung.

Ohne zuverlässige und allgemein gültige Datenquelle taten sich die Beschäftigten schwer, die benötigten Dokumente und Verlaufsinformationen zu finden, um eine Produktvariante korrekt konstruieren zu können. Das führte schon bei kleinen Modifikationen zu doppelten Tests und verursachte Verzögerungen bei neuen Produkten und Produktvarianten. Darüber hinaus trieben vermeidbarer Ausschuss, Nacharbeit, zusätzlicher Arbeitsaufwand und längere Zykluszeiten bei großen und mittleren Projekten die Programmkosten in die Höhe.

Auch technische Änderungen waren problematisch. Die Entwickler mussten ihre Daten in getrennte Windchill und SAP-Systeme eingeben, was den Arbeitsaufwand verdoppelte und die Fehlerwahrscheinlichkeit erhöhte. Die Daten in SAP hatten ein anderes Format als die in Windchill. Bei der Übermittlung von Konstruktionsentwürfen aus der Entwicklung in die Produktion kam es ebenfalls zu Problemen, da die Stücklisten und zugehörigen Arbeitsanweisungen häufig inkonsistent waren.

Die Arbeitsweise der Beschäftigten zu verändern, war dennoch nicht einfach.

„Aufgrund der individuellen Sichtweisen gab es reale oder gefühlte Gründe für Unterschiede in den Prozessen. Unabhängige F&E-Teams verstanden nicht, warum sie einen Prozess, der für sie bereits funktionierte, nun in geänderter Form standardisieren sollten. Niemand wollte seine Arbeitsweise ändern“, erläuterte Thalita Begliomini, Global IT Manager for Governance, Risk, and Compliance. „Wir mussten unsere Teams erst davon überzeugen, dass die IT sie auf der Basis standardisierter Prozesse besser unterstützen könnte. Jetzt versteht jeder, was wir gemeinsam erreichen können.“

Für die Erstausrüster (OEMs) unter den Kunden von Nidec Global Appliance existierte kein standardisiertes Verfahren zur Kommunikation von Produktänderungen. Ohne diese Informationen bestand bei den OEMs jedoch das Risiko von Produktionslinienausfällen, die bei Nidec Global Appliance einen unnötigen Zeit- und Ressourcenaufwand für die Problembehebung verursachten – vom Schaden für den guten Ruf des Unternehmens ganz zu schweigen.

Auch die Lieferkette hatte unter dem Fehlen standardisierter Anforderungen zu leiden. Inkonsistente Zertifizierungsverfahren und über die verschiedenen Regionen verteilte Zuliefererdatenbanken verzögerten die Zuliefererzertifizierungen.

Fiel ein Kompressor im Einsatz aus, beispielsweise im Kühlschrank eines Kunden, so hatte das Qualitäts-Team keine Chance, Entwicklungs-, Zulieferer- und Fertigungsdaten nachzuverfolgen und auf dieser Basis Ursachenanalysen und CAPAs (Corrective and Preventive Actions) durchzuführen.

Die Lösung

Nidec begann, sich zu informieren, wie es das Unternehmen optimieren könnte. Die IT-Leitung war sich bewusst, dass sie ein robustes technologisches Ökosystem aufbauen musste, das nicht nur Zusammenarbeit ermöglichen, sondern auch die Voraussetzungen für Compliance-konforme Arbeitsabläufe schaffen sollte, die den Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Schnelligkeit genügen mussten.

Das Team entschied sich für die Partnerschaft mit PTC. Es wählte Windchill als strategisches Produktinformationssystem. Mithilfe der Out-of-the-box-PLM-Prozesse von Windchill erreichte man die nötige Governance und Nachverfolgbarkeit, um die Unternehmenskultur im Sinne einer schnelleren Produktrealisierung zu transformieren.

Im Rahmen der PLM-Implementierung bereinigte die IT in Partnerschaft mit F&E die Datenbanken und machte sich ein Bild der bestehenden Infrastruktur.

Damit ersparte sich das Unternehmen zahllose Arbeitsstunden für Nacharbeit und Tests. Änderungs- und Konfigurationsverwaltung wurde implementiert, um sicherzustellen, dass Änderungsanträge während des Entwicklungsprozesses mit den entsprechenden Dokumenten verknüpft und einschließlich aller zugehörigen Genehmigungen und Überlegungen automatisch archiviert wurden.

Um die Gefahr von Datenverlusten zwischen Windchill und SAP auszuschließen, wurden die Produktstrukturen aufeinander abgestimmt.

Die neuen Prozesse brachten neue Effizienzgewinne mit sich. Unter anderem werden Beschäftigten bei der Projektplanung jetzt bestimmte Rollen zugewiesen, sodass beispielsweise ein und dieselbe Person am Anfang und am Ende eines Prozesses Qualitätssicherungstests vornimmt. Das reduziert den Nacharbeitsaufwand.

Auch die Kunden profitieren von PLM: Jetzt gibt es einen wohldefinierten Änderungsnachrichtenprozess für die Analyse und Diskussion von Änderungen. Eine Test- und Zertifizierungsdokumentation unterstützt den Prozess.

Auch für die Zulieferer hat das gestärkte Zertifizierungssystem Vorteile.

„Die grundlegenden F&E-Prozesse wurden weltweit digitalisiert, sodass jetzt in einem robusten, von Windchill verwalteten Prozess vertrauenswürdige Daten zur Verfügung stehen. Damit konnte das Unternehmen seine datengestützten Geschäftsprozesse vorantreiben und den Weg hin zur Nutzung künstlicher Intelligenz einschlagen“, so Luiz Gustavo de Oliveira, Head of Technology and Analytics.

Das Ergebnis

Um wettbewerbsfähig und auf dem Gebiet energieeffizienter Kühllösungen führend zu bleiben, musste Nidec Global Appliance das Unternehmen transformieren. Durch Implementierung einer digitalen PLM-Strategie und Integration heterogener Systeme wie Windchill und SAP stellte Nidec Global Appliance seine Qualitätssicherungsverfahren über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg auf völlig neue Grundlagen.

„Mit jeder neuen Generation konnten wir die Energieeffizienz um 5 % verbessern“, erläuterte Gerson Heusy, R&D Senior Manager. „Innovation realisieren wir durch innovative Tools.“

Diese innovativen Tools haben die Produktzeitpläne bei Nidec revolutioniert: Die Time-to-Market sank um 48 %, die Anzahl der Großprojekte stieg um 284 %. Und all das bewältigt das Unternehmen mit 78 % der Ressourcen, die es vor der Einführung von PLM aufbieten musste. Darüber hinaus konnten die Kosten infolge von Qualitätsmängeln durch verbesserte Governance und Nachverfolgbarkeit sowie weitere Qualitätsinitiativen im Unternehmen um 40 % gesenkt werden.“

Aktuell nutzen 900 Mitarbeiter Windchill – rund um die Uhr 300 Personen in aller Welt.

Ausblick

Das IT-Team genießt dank der erfolgreichen PLM-Implementierung das volle Vertrauen von F&E. Die Messung der Effizienz bezogen auf die Produktionslinienparameter soll dabei Priorität haben. Chancen, die Betriebskosten zu senken, den Produktionsausstoß zu steigern und die Ressourcennutzung zu verbessern, sollen genutzt werden. Die Integration der Qualität in den digitalen Thread wird bei Nidec Global Appliance zweifellos gelingen.